Schwule Egel
homo.net Info vom 6. August 2020
von Webmaster Jan
Wenn unsereins in San Francisco ist und den Golden Gate Park erforscht, geht er da ziemlich sicher zum Cruisen hin. Denn da, wo Amerika am schwulsten ist, ist das DIE grüne Oase, in der sich alle treffen. Wahrhaft ein Ort der Begegnung und der Aktion rund um die Uhr.
Wenn Prof. Dr. Ulrich Kutschera (65) in den Golden Gate Park geht, steht ihm der Sinn nach Egeln. Nicht jedem sind diese Tierchen ein Pläsierchen. Aber Kutschera steht auf Egel. Er entdeckt und erforscht sie, wo er geht und steht. Denn er ist Evolutionsbiologe. Und als solcher beschäftigt er sich überwiegend mit Ringelwürmern, Bakterien und immer wieder Egeln und deren zwittriges Liebesleben.
Nicht nur den Europäischen Platt-Egel und den Freiburger Bächle-Egel hat er entdeckt, sondern auch den Golden Gate Egel helobdella californica hat er eben da im Stow See entdeckt, und benannt nach dem wohl beliebtesten Cruising Park der Vereinigten Staaten. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Auch bei den Hormonen von Pflanzen kennt er sich prächtig aus, der Herr Professor. Erhielt er doch summa cum laude als Abschlussnote für seine Doktorarbeit über deren Wirkung. Natürlich kennt er sich auch beim Sex aus. Besonders die Hermaphroditen oder Zwitter hat er in verschiedenen Sex-Studien untersucht. Auch beim geliebten Egel und keinesfalls beim Menschen, was man beim nun folgenden eigentlich erwarten würde:
2018 wurde Prof. Dr. Kutschera Mitglied im Kuratorium der Desiderius-Erasmus-Stiftung. Die Alternative für Deutschland (AfD) hatte diese parteinahe, politische Stiftung 2015 gegründet und benannte sie ausgerechnet nach dem christlichen Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam (etwa 1466 – 1536). Der gilt als einer der Vordenker der europäischen Idee, welcher die AfD ja eher distanziert gegenüber steht: Laut AfD war Erasmus „ein vernunftbegabter Proeuropäer, der sicherlich auch gegen eine unvernünftige Einheitswährung wie den Euro gewesen wäre.“ Wieso die AfD sich da so sicher ist, bleibt ihr Geheimnis. Auf dem Boden wissenschaftlicher Erkenntnisse steht sie dabei nicht.
Die Stiftung wolle „die staatsbürgerliche Bildung fördern, wissenschaftliche Untersuchungen in Gang bringen, der internationalen Verständigung dienen sowie die wissenschaftliche Aus- und Weiterbildung begabter junger Menschen unterstützen“. Und das machen die jetzt auch reichlich, immer abgesegnet durch die wissenschaftliche Expertise unseres Egelprofessors mit besonderer Kenntnis derer zwitterhaften Sexualität und der Hormone von Pflanzen.
Kutscheras Stiftungsarbeit am Menschen hätte Erasmus sicherlich aufs Höchste inspiriert. Denn sein heute bekanntestes Werk ist die Satire „Lob der Torheit“ (laus stultitiae) aus dem Jahr 1509. In dieser „Stilübung“, wie er sie nannte, trat er mit Spott und Ernst tief verwurzelten Irrtümern entgegen und setzte sich für vernünftige Anschauungen ein. Dafür fand er die trefflichen Worte: „Die christliche Religion steht einer gewissen Torheit recht nahe; hingegen mit der Weisheit verträgt sie sich schlecht!“
Denn dann kam es ganz dicke mit den „wissenschaftlichen“ Erkenntnissen aus dem Golden Gate Park: Im Juli 2017 sprach sich Ulrich Kutschera in einem Interview mit einem katholischen Internetportal gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus: „Sollte das Adoptionsrecht für Mann-Mann bzw. Frau-Frau-Erotikvereinigungen kommen, sehe ich staatlich geförderte Pädophilie und schwersten Kindesmissbrauch auf uns zukommen.“ Er begründete diese Aussage mit der völlig unsinnigen wie unwissenschaftlichen Vermutung: „Warum sollte ein 40-jähriger Homo-Mann nicht zum Beispiel den 15-jährigen Adoptivling begehren, da zu diesem Kind überhaupt keine direkte erbliche Verwandtschaft besteht? Eine instinktive Inzucht-Abscheu existiert hier nicht.“
Mir fallen da sofort etliche Gründe ein, wieso schwule Väter für gewöhnlich nicht über ihre 15-jährigen Adoptivsöhne herfallen, aber mir fehlt natürlich der rein wissenschaftliche, geschulte Blick, geschärft am erotischen Treiben von zwittrigen Egeln im Golden Gate Park.
Zwei Homosexuelle, ein Arzt aus Berlin und ein Universitätsmitarbeiter, sowie der damalige Vorsitzende des AStA, erstatteten Strafanzeige gegen Kutschera. Die Staatsanwaltschaft Kassel nahm die Ermittlungen auf. Der AStA der Universität Kassel warf ihm homophobe Ansichten vor. Die Studenten protestierten. Der hessische Wissenschaftsminister Boris Rhein (48 CDU) nannte Kutscheras Thesen „abstrus“. Die Universitätsleitung verwies auf die Wissenschaftsfreiheit, distanzierte sich aber gleichzeitig von Kutscheras Äußerungen und fand sie schließlich „empörend“.
Am 5. Juni 2019 erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen Kutschera vor dem Amtsgericht Kassel. Wegen Terminproblemen platzte der erste Prozess. Jetzt aber fand der Professor seinen Richter.
Am 3. August 2020 wurde er der Beleidigung Homosexueller für schuldig befunden und zu einer Geldstrafe von 6.000,- Euro verurteilt.
Kutscheras Äußerungen seien nicht durch die Freiheit der Wissenschaft gedeckt, sagte der Richter: „Es kommt auch auf den Zusammenhang an.“ So habe sich der Evolutionsbiologe in einem Interview geäußert und nicht in einer Vorlesung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Kutschera steht unbelehrbar zu seinen Zitaten und hat sie im Prozess verteidigt. Er warf seinen Kritikern sowie der Staatsanwaltschaft vor, diese falsch zu verstehen und aus dem Kontext zu reißen. Im Grunde gehe es Kutschera um eines, sagte sein Anwalt: „Er hegt Befürchtungen hinsichtlich psychischer Probleme bei Kindern aus gleichgeschlechtlichen Partnerschaften.“ Deren Erziehung erfolge in Form „geistiger Vergewaltigung“. Wahrlich eine beleidigende Unverschämtheit so etwas, ohne irgendwelche Belege einfach so zu behaupten.
Kutschera hatte das Verfahren zuvor als „Präzedenzfall der Abschaffung der Wissenschafts- und Meinungsfreiheit in diesem Land“ bezeichnet und angekündigt den Fall falls nötig bis vor das Bundesverfassungsgericht zu tragen.
Egel sind dagegen putzige Tiere,
Jan
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